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FREMDAN - Rap als Therapie

Veröffentlicht am:

Als Chemnitzer Musikrelease des Monats feiern wir diesen November den Rapper Fremdan. Vom Text bis Beat und Sound produziert er seine Musik komplett selbst in seinem Tonstudio auf dem Chemnitzer Sonnenberg und spricht in seiner ersten EP „Mikrokosmos“ ehrlich und offen über seinen Umgang mit Depressionen.

Hallo Fremdan, wer bist du eigentlich?

Ich glaube ich bin Künstler. Bei uns im Bandbüro gibt es das schöne Sprichwort: Musiker sind immer Künstler – wenn du nur Cover machst, bist du Musikant und kein Musiker. Das finde ich sehr passend. Wenn ich mich dann frage, was ein:e Künstler:in eigentlich ausmacht, würde ich sagen: Die Person verarbeitet Dinge, indem etwas Neues entsteht. Persönlich trenne ich mich selbst kaum von meiner Kunstfigur. Das lässt sich irgendwie auch schwer vermeiden, da ich in meiner Musik viel über mein eigenes Inneres erzähle – da muss das ja zwangsläufig irgendwie zusammenpassen. Ich glaube, ich mach Kunst, weil ich muss. Weil ich sonst eine Weile lang mit mir gar nicht klargekommen wäre. Weil ich irgendwo hin musste, mit dem was in meinem Kopf los war. Wenn sich das Menschen jetzt anhören, es cool finden und sich nicht mehr alleine fühlen, dann habe ich ja irgendwie etwas Schönes bewirkt und dann ist das cool. Aber ich glaube, auch wenn meine Tracks allen egal wären, würde ich trotzdem Musik machen. Das steckt für mich auch in diesem Künstlerbegriff – dass man das, was man tut, nicht für andere Menschen macht, sondern für sich selbst. Weil man damit einen Weg gefunden hat, der funktioniert. Natürlich kann ich trotzdem nicht leugnen, dass ich Bock habe, auf einer Bühne zu stehen und mich freue, wenn Leute da sind die meine Musik cool finden. Aber ich glaube, das ist nicht der primäre Antrieb.

In deiner EP baust du durch Textstellen wie zum Beispiel „Ich lass dich rein in meinen Kopf, damit du nicht in deinem eigenen sein musst“ eine ziemlich große Nähe zu deinen Hörer:innen auf – was steckt da dahinter?

Ich glaube das hat viele Gründe. Zum einen mache ich das auch bewusst, ich habe Lieder auf der EP, die ich zum Beispiel meiner Mutter mal gezeigt habe und sie hat mich daraufhin gefragt, ob ich die denn wirklich veröffentlichen wolle, da die Themen und Texte ja schon sehr düster und persönlich seien. Das kann ich schwer verstehen - natürlich will ich das so veröffentlichen, warum sollte ich das denn nicht tun? Anders funktioniert es doch nicht, oder? Ich kann ja nicht um meine Probleme herumreden, ohne den Menschen zu erklären, was genau vor sich geht.

Auf der anderen Seite ist das auch für mich persönlich total in Ordnung so. Ich hatte nie ein Problem damit, mit Menschen, die ich noch wenig kenne, über meine Depressionen zu sprechen. Dadurch habe ich mich auch immer in der Position gesehen, eine gewisse Öffentlichkeit dafür zu schaffen. Das ist eben immer noch ein Tabu-Thema, was im Alltag oft versucht wird, zu umgehen. Ich sage dann immer zu mir selbst: Wenn da eine Person sitzt, die mit Depressionen überhaupt gar keine Berührungspunkte hat und abends vor dem Schlafengehen vielleicht trotzdem nochmal zehn Minuten drüber nachdenkt, was ich an dem Tag erzählt habe, genügt das schon. Auch hier trenne ich da nicht zwischen meinem Privatleben und meiner Musik.

Auf der anderen Seite grenzt du dich in deinen Tracks auch von anderen Menschen ab, sprichst von dem Willen der Abschottung und der Angst, dass deine Gedanken Menschen nicht gut tun könnten. Wie gehst du damit jetzt vor dem EP-Release um?

Ja, das ist tatsächlich ein spannendes Thema, worüber wir intern auch schon viel gesprochen haben. Gerade im Track 9-5, der als Single mit Video herausgekommen ist, habe ich überlegt, ob eine Triggerwarnung angemessen wäre. Ich war mir länger unsicher und habe es jetzt gemacht, weil ich mir denke, es ist wahrscheinlich schon cooler für die Menschen. Auf der anderen Seite ist es auch schwierig, da es für mich persönlich auf der EP kein Lied mit einer negativen Stimmung gibt. Einfach weil ich da immer ganz anders drauf schaue. Gerade 9-5 ist entstanden, als es mir sehr beschissen ging. Aber durch die Produktion des Tracks ging es mir dann besser. Deshalb werden selbst sehr negative Lieder für mich immer etwas Positives sein, zumal ich mir dann eben was von der Seele schreiben kann und es mir danach immer besser geht. Ich hoffe, dass dieses Gefühl auch bei anderen ankommt. Vor einer ganzen Weile hat mir mal eine Freundin geschrieben und gesagt: „Hey, ich sitz gerade hier und ich weine, aber ich höre gerade deine Musik und fühle mich deshalb nicht so alleine“. Das war eine der schönsten Nachrichten, die ich bis jetzt als Feedback bekommen habe, weil es genau das ist, wo ich hin will.

Möchtest du deinen persönlichen Entwicklungsprozess hinter der EP noch ein bisschen näher beschreiben?

Ich glaube, die ersten Lieder sind vor vier Jahren entstanden, zum Beispiel „Mikrokosmos“. Vor allem in diesen Songs steckt die Zeit während Corona mit viel sozialer Isolation. Jahrelange Depressionen und der Kampf mit sich selbst waren nicht die beste Voraussetzung dafür, diese zwei Jahre zu überstehen. Dann habe ich mein Studium abgebrochen und allgemein in meinem Leben nur noch sehr wenig auf die Reihe bekommen. Das war auch eine Zeit, in der ich sehr oft versucht habe, zu schreiben und es oft nicht funktioniert hat, weil so viel Chaos in meinem Kopf war. Da hat selbst dieses Ventil irgendwie nicht mehr funktioniert. Zwischendrin hat es mal geklappt und dann sind auch coole Sachen dabei herausgekommen.

In dieser Zeit sind aber auch positive Dinge passiert. Gemeinsam mit Freunden habe ich ein eigenes Studio aufgebaut, was für mich auch eine Art Escape-Ort war, der mir in dieser Zeit sehr geholfen hat. Auch das musste irgendwie in der EP erzählt werden und damit ist der Track „Keine Nachricht“ entstanden. Das alles war ein sehr dynamischer Prozess. Mit dem letzten Track „Lass mich fallen“ wird alles wieder ein bisschen umgekehrt und leichter. Ein Gefühl von Hoffnung, das auch zum Beispiel in 9-5 durchkommt, wird da nochmal besonders klar. Es ist mir wichtig, dass Menschen die EP hören und merken, dass es immer Hoffnung gibt.

Wie kommt es, dass jetzt nach vier Jahren der Zeitpunkt gekommen ist für den EP-Release?

Seit einem Jahr mache ich wieder Therapie und ich glaube, das hat mir einfach sehr geholfen – ich fühle mich wie ein anderer Mensch. Ich konnte mir wieder Ziele setzen, auf die ich hinarbeiten will und hatte Antrieb, weiterzumachen. Ich habe ständig neue Ideen für Tracks aber habe gemerkt, dass ich nichts Neues anfangen kann, wenn der Rest nicht wirklich abgeschlossen ist.

Wie produzierst du deine Musik bzw. wie arbeitest du?

Sehr unkoordiniert. Sehr chaotisch. Bei der EP ist mir sehr aufgefallen, dass bei fast allen Liedern erst der komplette Text da war und dann der ganze instrumentale Teil entstanden ist. Bei mir bestimmt der Text in erster Linie die Emotionen des Tracks und den Beat bastle ich dann außen rum und verstärke das Ganze, sodass es zusammenpasst und eine coole Einheit ergibt.

Das ist ja auch irgendwie so der Luxus, den man hat, wenn man alles selber macht.

Was würdest du der Welt gerne noch mitteilen?

Ich möchte auf jeden Fall Danke sagen an alle Menschen, die mich unterstützt haben. Vor allem Emiely, meine beste Freundin, die zum einen eine Hook beigetragen hat und dann auch live mit mir auf der Bühne steht und die auch einfach so immer für mich da war. Ansonsten auf jeden Fall der werte Patrick Ernst, der mit mir das Musikvideo von 9-5 umgesetzt hat. Palito, der meine EP gemastert hat, womit ich sehr zufrieden bin und natürlich meinen Eltern. Hallo Mama, ich bin im 371 Stadtmagazin, haha.

Am 03.11.2023 erscheint meine EP „Mikrokosmos“ und am 23.11.2023 feiere ich den EP-Release beim KONSUMGUT:OST Festival im Weltecho, kommt vorbei!

Text: Katha von Sterni | Bild: Fremdan

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